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AutorenbildMatthias Messmer

Philosophieren mit Klient:innen – Was ist das Gegenteil von wahr?


Man muss weder Georg Wilhelm Friedrich Hegel noch Michel Foucault gelesen haben, um philosophieren zu können. Und man braucht weder Peter Sloterdijk noch Richard David Precht zu sein, um philosophieren zu dürfen (wobei Precht mehr selbstgerechter Talkshow-Mann denn selbstkritischer Denker ist). 


Philosophie bedeutet, wie es schon im Duden steht, «Liebe zur Weisheit». Mit anderen Worten geht es in der Philosophie um den Versuch, die Welt und die menschliche Existenz zu ergründen und zu verstehen. «Philosophieren gibt Antwort auf die Frage, wie Leben im Prinzip geht», sagt Wolfram Kurz, deutscher Theologe und Hochschullehrer. Das Fragen ist demnach das Wesen der Philosophie.


ERKENNTNISERHELLUNG


Mit Klientinnen und Klienten über ihre Anliegen zu sprechen und sie bei der Lösung von Herausforderungen und Notlagen zu unterstützen, gehört ebenso zu einer Coaching-Sitzung wie philosophische Fragen zu stellen und miteinander zu diskutieren: Fragen, die wesentlich sind für unser menschlichen Dasein.


Nebst der Selbstreflexion dient das philosophische Gespräch der «Erkenntniserhellung» (Karl Jaspers) – übrigens sowohl für den Berater wie die Klient:innen. Die philosophische Fragerei hat unter anderem zum Zweck, bisher unbewusste Zusammenhänge zu verstehen, verwobene, meist störende Muster zu ergründen, suboptimale Einstellungen und Lebenssituationen aufzudecken, falsche Glaubenssätze oder festgefahrene Meinungen zu hinterfragen und allenfalls Unbewältigtes zu bewältigen.


SICH EINEN REIM AUFS LEBEN MACHEN


Im Endeffekt geht es darum, dass der Klient oder die Klientin wieder eine optimistische(re) Sichtweise aufs Leben oder zumindest gewisse Lebensaspekte bekommt. Dass er oder sie sich wieder einen «Reim aufs Leben» machen kann.


Philosophische Fragen im Kontext von Coaching und Beratung umfassen sämtliche Bereiche unserer Lebenswelt. Wir können uns ebenso die Frage «Was bedeutet für mich ein gelingendes Leben?» stellen wie auch «Was ist der Sinn meines Lebens?», «Was will ich in meinem Leben?» oder natürlich die grosse Frage «Wer bin ich?» Beim Nachdenken und im Versuch, solchen und ähnlichen Fragen eine Antwort zu geben, werden sich meistens weitere Fragen ergeben. Auch Fragen zur Endlichkeit, zur Körperlichkeit oder zur Spiritualität können – wenn der Klient oder die Klientin dies wünschen – thematisiert werden.


FREUDE AM DIALOG


Voraussetzungen zu einem philosophisch angereicherten Gespräch mit Klient:innen sind die Neugierde am Gegenüber und seiner Sicht der Welt, die Freude am Dialog oder überhaupt das Staunen darüber, dass ein Gespräch zwischen Coach und Klient:in Lösungsmöglichkeiten und vielleicht sogar Neuentdeckungen hervorbringen, die man sich vor einer Sitzung nicht hat vorstellen können.


Einzig zu beherzigendes Kriterium für philosophische Fragen im Setting von Coaching und Beratung: Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten. Denn, so der Quantenphysiker Werner Heisenberg, das Gegenteil von wahr ist nicht falsch, sondern kann auch wahr sein.

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